Die Deutsche Bahn ist nicht nur eines der größten Verkehrsunternehmen Europas, sondern auch der größte Einzelstromverbraucher Deutschlands. Was bislang wenig bekannt war: Das unternehmenseigene Bahnstromnetz mit rund 8.000 Kilometern Länge birgt enormes Potenzial für die Energiewende – insbesondere durch Photovoltaik (PV). Das vom Fraunhofer ISE koordinierte Projekt PV4Rail zeigt eindrucksvoll, wie Sonnenstrom künftig direkt ins Bahnstromnetz eingespeist werden könnte.
Sonnenstrom statt Kohle – ein realistisches Szenario?
Derzeit stammt der Bahnstrom größtenteils aus konventionellen Kraftwerken und Wasserkraft. Eine direkte Einspeisung von PV-Strom ins Bahnstromnetz findet in Deutschland bislang nicht statt. Dabei ist das technische Potenzial enorm: Allein entlang der Gleise könnten bundesweit PV-Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu 37,6 GWp installiert werden. Der daraus resultierende Jahresertrag von etwa 32.920 GWh übersteigt den aktuellen Bahnstrombedarf von ca. 7.500 GWh um ein Vielfaches.
Projektleiter Andreas Hensel vom Fraunhofer ISE bringt es auf den Punkt: „Ein relevanter Teil des Energiebedarfs im Bahnstromnetz könnte durch Photovoltaik gedeckt werden.“ Die Voraussetzung: geeignete Flächen entlang der Strecken, idealerweise im Umkreis von zwei Kilometern um ein Bahn-Unterwerk.
Technologische Innovation: Wechselrichter für das 16,7-Hz-Netz
Der Clou des Projekts liegt in einem speziell entwickelten Wechselrichter, der PV-Strom direkt ins Bahnstromnetz einspeisen kann – und zwar nicht ins übliche 50-Hz-Netz, sondern ins spezielle 16,7-Hz-Netz der Bahn. Der vom Projektpartner Vensys Elektrotechnik GmbH entwickelte Zentralwechselrichter verfügt über 2 MW Leistung, aufgeteilt in zwei symmetrische 1-MW-Module.
Im Testlauf im Multi-Megawatt-Labor des Fraunhofer ISE erreichte einer dieser Leistungsteile einen beeindruckenden Wirkungsgrad von 96,6 %, inklusive des Eigenverbrauchs. Zusätzlich wurden spezielle Regelungen entwickelt, um den netzbildenden Betrieb im Bahnnetz zu ermöglichen – ein Muss, um die Kompatibilität zur bestehenden Leit- und Sicherungstechnik der Bahn zu gewährleisten.
Flexibler Netzanschluss: Vom Unterwerk bis zur Oberleitung
Je nach Anlagengröße unterscheidet sich die Art des Netzanschlusses.
- Kleinere PV-Anlagen bis 5 MW können direkt in die Oberleitung einspeisen.
- Mittelgroße Anlagen bis 12 MW speisen über Sammelschienen in Unterwerken ein – eine besonders wirtschaftliche Lösung.
- Großanlagen bis 40 MW benötigen ein eigenes Unterwerk mit Transformator und Schaltanlage für den Anschluss ans 110-kV-Bahnnetz.
Österreich macht’s vor – Deutschland zieht nach?
Während hierzulande bislang nur Pilotprojekte existieren, ist Österreich mit der ÖBB bereits einen Schritt weiter: Mehrere Bahnstrom-PV-Anlagen mit jeweils über 10 MWp sind dort bereits erfolgreich am Netz. Allerdings unterscheiden sich die Netzanschlussbedingungen beider Länder deutlich. Die Deutsche Bahn verlangt etwa spannungseinprägende Wechselrichter, die komplexer in der Umsetzung sind. Erste Simulationen des Fraunhofer ISE zeigen jedoch, dass auch diese Hürde technologisch lösbar ist – ein nächster Projektabschnitt könnte hier entscheidende Fortschritte bringen.
Fazit: Sonnenstrom auf die Schiene ist machbar
Das Projekt PV4Rail liefert nicht nur den technischen Machbarkeitsnachweis, sondern legt auch eine fundierte wirtschaftliche und regulatorische Grundlage für die breite Umsetzung. Für die Energiewende im Verkehrssektor könnte die Nutzung von Gleisflächen zur Solarstromerzeugung ein echter Gamechanger sein – wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
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