Seit Januar 2025 ist sie in Kraft – die Solardachpflicht in Niedersachsen. Was einst als Teil ambitionierter Klimaziele formuliert wurde, ist nun gelebte Praxis auf Baustellen, bei Dachsanierungen und in Kommunalverwaltungen. Doch was genau schreibt das Gesetz vor? Wen betrifft es? Und welche ersten Erfahrungen lassen sich bereits wenige Monate nach Inkrafttreten festhalten? Ein Überblick.
Eine Pflicht für die Zukunft
Die Energiewende hat längst den Weg von politischen Sonntagsreden auf die Dächer der Republik gefunden. Mit der Novelle der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) wurde im § 32a ein zentrales Instrument verankert, das den Ausbau der Photovoltaik deutlich beschleunigen soll: die Solardachpflicht. Sie verpflichtet Bauherren seit dem 1. Januar 2025, bei Neubauten und bestimmten Dachsanierungen einen Teil der Dachfläche mit Photovoltaikanlagen auszustatten.
Konkret betroffen sind:
- Neubauten mit einer Dachfläche ab 50 Quadratmetern – unabhängig davon, ob Wohn- oder Nichtwohngebäude.
- Bestandsgebäude, sofern das Dach grundlegend saniert oder erweitert wird.
- Offene Parkflächen mit mindestens 25 Stellplätzen, sofern sie neu errichtet oder baulich verändert werden.
Die Regel ist einfach, aber verbindlich: Mindestens 50 % der geeigneten Dachfläche müssen mit Photovoltaikmodulen belegt werden. Eine Maßnahme, die laut Landesregierung nicht nur die CO₂-Bilanz verbessern, sondern auch wirtschaftliche Chancen für Gebäudeeigentümer eröffnen soll.
Wer muss nicht – und warum?
So umfassend die Pflicht auch erscheint: Sie gilt nicht uneingeschränkt. Das Gesetz sieht Ausnahmen vor, die unter bestimmten Umständen greifen – etwa wenn die Installation aus technischen Gründen unmöglich ist (z. B. bei Glasdächern, Reetdeckung oder statischen Problemen). Auch wirtschaftliche Unzumutbarkeit kann geltend gemacht werden, zum Beispiel wenn sich die Investition auch langfristig nicht rechnet oder wenn der Netzanschluss für eine Einspeisung fehlt.
Ein weiteres Beispiel: Ist auf dem Dach bereits eine Solarthermieanlage installiert, kann die erforderliche Photovoltaikfläche anteilig reduziert werden. Zudem sind denkmalgeschützte Gebäude und stark verschattete Dachflächen unter Umständen von der Pflicht ausgenommen.
Wichtig jedoch: Die Ausnahme ist kein Selbstläufer. Wer sich befreien lassen möchte, muss stichhaltige Nachweise vorlegen – etwa durch ein Gutachten eines Fachbetriebs oder eine technische Stellungnahme.
Förderung statt Frust
Eines der Hauptargumente gegen die Pflicht war stets die Sorge vor Kostenbelastung. Doch diese Befürchtung hat sich bislang nur selten bestätigt. Im Gegenteil: Zahlreiche Bauherren berichten, dass sich der Mehraufwand durch eine durchdachte Planung und staatliche Fördermittel gut abfedern lässt.
So bietet etwa die KfW-Bankengruppe zinsgünstige Kredite und Zuschüsse für PV-Anlagen, kombiniert mit Speicherlösungen oder Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. Auch auf Landesebene stehen ergänzende Programme zur Verfügung – wenngleich hier die Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit aus Sicht vieler Eigentümer noch verbesserungswürdig ist.
Langfristig zahlt sich die Investition dennoch häufig aus: Durch Eigenverbrauch des erzeugten Stroms lassen sich Energiekosten deutlich senken, insbesondere in Kombination mit Wärmepumpen oder Wallboxen. Wer Strom einspeist, profitiert zusätzlich von der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung nach dem EEG.
Erste Bilanz: Was hat sich bewährt?
Nach dem ersten halben Jahr lässt sich eine vorsichtig positive Zwischenbilanz ziehen. Die meisten Bauherren und Projektentwickler haben die neue Anforderung mittlerweile in ihre Planungsprozesse integriert. Architekturbüros berichten, dass sie ihre Dachgestaltungen frühzeitig auf PV-Tauglichkeit hin optimieren – nicht selten mit kreativen Lösungen.
Auch das Handwerk hat reagiert: Zwar gibt es weiterhin Lieferengpässe bei bestimmten Komponenten, doch die Solarbranche hat vielerorts ihre Kapazitäten ausgebaut. Die Nachfrage nach Fachbetrieben ist gestiegen, doch die Wartezeiten sind vielerorts kürzer als befürchtet.
Kritik kommt derweil eher aus dem Verwaltungsbereich: Die Verfahren zur Ausnahmeprüfung gelten als teils zu bürokratisch und wenig einheitlich. Hier fordern Verbände wie die IHK Niedersachsen eine klarere Linie – und mehr digitale Verfahren zur Antragstellung.
Niedersachsen als Vorreiter?
Mit der Solardachpflicht gehört Niedersachsen inzwischen zu den Bundesländern mit den konsequentesten Maßnahmen im Bereich der gebäudeintegrierten Energiewende. Während Baden-Württemberg und Berlin bereits ähnliche Regelungen eingeführt haben, zieht der Rest der Republik nur zögerlich nach.
Dabei drängt die Zeit: Um die Klimaziele bis 2040 zu erreichen, muss Niedersachsen laut Klimaschutzministerium rund 65 Gigawatt PV-Leistung installieren – davon allein 50 GW auf Dachflächen. Der aktuelle Stand liegt bei etwa 6 GW. Die neue Pflicht ist also weniger Symbolpolitik als eine echte Maßnahme gegen das Zögern.
Fazit: Pflicht mit Perspektive
Die Solardachpflicht in Niedersachsen mag für manche wie ein regulatorischer Eingriff wirken – doch sie ist ein Instrument mit doppeltem Nutzen: Sie unterstützt den Klimaschutz und bietet Eigentümern die Chance, langfristig energetisch unabhängiger zu werden. Wer heute baut oder saniert, kommt an Photovoltaik nicht mehr vorbei – und das ist auch gut so.
Denn Dachflächen sind in vielerlei Hinsicht das neue Bauland der Energiewende.
P.S. es sei angemerkt, dass es auf regionaler Ebene durchaus auch Förderungen gibt, wie z.B. in Osnabrück!