Photovoltaik an Fassaden galt lange als architektonische Spielerei ohne große Marktrelevanz. Doch mit dem wachsenden Anspruch an nachhaltiges Bauen und der Notwendigkeit, jede verfügbare Fläche zur Energiegewinnung zu nutzen, erleben solaraktive Fassadenanlagen eine Renaissance. Sie verbinden Ästhetik mit Funktionalität – und machen Außenwände zum Kraftwerk für Strom und Wärme.
Flexible Technik für vertikale Flächen
Während klassische Aufdachsysteme weiterhin dominieren, zeigt sich in der Praxis: Viele dieser Lösungen lassen sich mit Anpassungen auch an der Fassade nutzen. Spezialisierte Anbieter von PV-Modulen für vertikale Anwendungen sind zwar noch selten, doch die Kombination aus bekannten Unterkonstruktionen für vorgehängte Fassaden und Standardmodulen eröffnet bereits heute ein großes Potenzial.
Dabei gilt: Die Unterkonstruktionen – meist auf Aluminiumprofilen basierend – verfügen oft über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ). Für die eigentlichen PV-Module hingegen muss häufig eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) eingeholt werden, da diese in der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) bislang nicht für Fassadenanwendungen berücksichtigt sind. Hersteller unterstützen hier zunehmend mit gutachterlichen Stellungnahmen und geprüften Nachweisen zur Systemstabilität.
Beispiele aus der Praxis – zwischen Innovation und Alltag
Schon in den 1990er-Jahren wurden erste PV-Fassadenanlagen mit Dachkomponenten umgesetzt – etwa bei Einfamilienhäusern mit eingeschränkter Dachfläche oder bei Industriehallen. Diese frühen Projekte zeigen: Auch unter suboptimalen Einstrahlbedingungen kann die Fassade einen wertvollen Beitrag zur Stromerzeugung leisten, wenn Wechselrichter und Generatorkonzept entsprechend angepasst werden.
Moderne Fassadenlösungen gehen heute deutlich weiter. Innovative Systeme kombinieren Photovoltaik mit Solarthermie und erzeugen damit sowohl Strom als auch nutzbare Wärme. Das zugrunde liegende Prinzip: Die integrierten Solarzellen liefern elektrische Energie, während gleichzeitig Wasser in thermischen Elementen bis auf 45 °C erhitzt wird – nutzbar etwa für Fußbodenheizungen oder als Energiequelle für Wärmepumpen. Besonders in Übergangszeiten und im Sommer kann dies zur Regeneration von Erdwärmekollektoren beitragen.
Energieeffizienz trifft Design
Solaraktive Fassaden sind mehr als nur technische Innovation. Sie verändern auch das architektonische Erscheinungsbild eines Gebäudes. Ob in Bürogebäuden, Bildungseinrichtungen oder Industriehallen: Die Integration in den digitalen Planungsprozess (BIM) ermöglicht eine frühzeitige Abstimmung von Ästhetik und Energieperformance.
Und auch stadtklimatisch bringen sie Vorteile: Im Gegensatz zu klassischen Glasfassaden, die sich aufheizen, wandeln solaraktive Fassaden einen Teil der Sonneneinstrahlung in nutzbare Energie um – und tragen so zur Reduktion der städtischen Überhitzung bei.
Kosten, Nutzen und baurechtliche Aspekte
Mit Investitionskosten zwischen 100 und 400 Euro pro Quadratmeter sind Solarfassaden zunächst kostenintensiver als herkömmliche Systeme. Doch der energetische Mehrwert und die langfristige Einsparungspotenziale – insbesondere bei intelligentem Zusammenspiel mit Wärmepumpen – machen die Technologie attraktiv.
Rechtlich ist die Lage differenziert: In vielen Bundesländern besteht für PV-Anlagen an Gebäuden keine Genehmigungspflicht, solange keine Gefährdung für Verkehrsflächen besteht. Dennoch bleibt die Einhaltung baurechtlicher Vorgaben essenziell – spätestens im Schadensfall muss belegt werden, dass geregelte oder geprüfte Bauprodukte verwendet wurden.
Fazit: Zukunft an der Wand
Fassadenanlagen mit Photovoltaik und Solarthermie bieten die Möglichkeit, nachhaltige Energiegewinnung nahtlos in die Gebäudehülle zu integrieren – sowohl bei Neubauten als auch im Rahmen von Sanierungen mit vorgehängten Fassadensystemen.
Noch ist der Markt klein, aber die technische Entwicklung, kombiniert mit digitalen Planungsprozessen, öffnet neue Türen für energieeffiziente Architektur. Wer bei der Planung auf genehmigungsfähige Systeme und eine sorgfältige technische Auslegung achtet, kann seine Fassade schon heute zur aktiven Energiequelle machen.